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Extremitätendystonie

Fachbegriff: Extremitätendystonie

Andere Bezeichnungen: Dystonie der Arme und Beine

Unterformen: u. a. Schreibkrampf (Graphospasmus), Musikerkrampf, Golferdystonie, dystoner Klumpfuß

Betroffene Muskeln: Arm- und Fingermuskulatur, Fuß- und Unterschenkelmuskulatur

Merkmale: Extremitätendystonien treten an Armen und Beinen auf. Unterschieden werden die fixierten und die tätigkeitsbezogenen (aktionsinduzierten) Dystonien, die nur bei bestimmten Beschäftigungen auftreten.

Form der Dystonie: Fixierte Dystonien treten in Zusammenhang mit primären, generalisierten oder sekundären Dystonien auf; bei den tätigkeitsbezogenen Dystonien handelt es sich um fokale Dystonien.

Symptome der Extremitätendystonie

Bei der Extremitätendystonie handelt es sich um eine Erscheinungsform von Dystonie. Es kommt zu unkontrollierten Verkrampfungen in den Händen und Füßen. Die Symptome können verschiedene Formen annehmen, wodurch es einige Unterformen gibt, zwischen denen unterschieden wird.

Während die fixierten Dystonien in Ruhe vorliegen, werden Tätigkeits- oder Beschäftigungsdystonien durch eine Tätigkeit ausgelöst.

Eine bekannte Form ist der Schreibkrampf (Graphospasmus): Bei den Betroffenen kommt es ausschließlich beim Schreiben zu unwillkürlichen Verkrampfungen der Muskulatur, besonders im Unterarm, aber auch in Hand, Oberarm und Schulter.

Die Verkrampfung kann sofort oder kurz nach Beginn des Schreibens auftreten. Die Folge ist, dass der Schreibstift entweder zwischen Daumen und Zeigefinger gepresst gehalten wird und wegrutscht oder sich der Zeigefinger abspreizt, und der Stift nicht mehr gehalten werden kann. Das Handgelenk kann sich stark beugen oder strecken. Der Arm kann nach innen oder außen gedreht sein. Bei ca. 25 % der Betroffenen treten zudem Schmerzen auf.

Bei einem Schreibkrampf kann das Schriftbild der Betroffenen in unterschiedlichem Maße gestört sein: Es wird krakelig, die Linie kann nicht gehalten werden oder es ist komplett unleserlich. Manchmal ist das Schreiben auch völlig unmöglich. Manche Patienten leiden unter einer „Schreibhemmung“, ohne dass es zur ausgeprägten Verkrampfung der Muskeln kommt.

Andere Handdystonien treten häufiger bei Musikern (Musikerkrampf wie z. B. Klavierspielerkrampf oder Gitarristenkrampf), Handwerkern (z. B. Näher oder Schneider) und Sportlern (z. B. Golferdystonie) auf. Diesen Tätigkeitsdystonien ist also gemeinsam, dass sie bei speziellen und lang trainierten Bewegungen der Hand, die mit hoher Wiederholungszahl geübt werden, auftreten.

Es gibt auch aktionsinduzierte Dystonien des Fußes, z. B. den dystonen Klumpfuß: Bei den Betroffenen kommt es beim Gehen zu einem verkrampfungsbedingten Einrollen und Verkrallen der Zehen. Hierdurch kann die Bewegungsfreiheit der Betroffenen eingeschränkt werden.

Folgen für die Lebensqualität und Begleiterscheinungen

Tritt die Verkrampfung ausschließlich bei der Tätigkeit des Schreibens auf, spricht man vom einfachen Schreibkrampf. Diese Menschen können erfreulicherweise andere differenzierte feinmotorische Tätigkeiten normal ausführen. Wenn die Verkrampfung auch bei anderen Tätigkeiten wie z. B. dem Essen mit Messer und Gabel, dem Zeichnen, Basteln etc. auftritt, spricht man vom dystonen Schreibkrampf.

In diesem letzten Fall ist das Ausführen von gewöhnlichen Tätigkeiten der Hand eingeschränkt bis unmöglich. Gleiches gilt für den dystonen Klumpfuß, bei dem es zu teils schweren Beeinträchtigungen des Gehens und Stehens kommt. Zusätzlich zu den Bewegungsstörungen kann die Symptomatik noch von Schmerzen begleitet werden.

Für die Betroffenen einer Extremitätendystonie kann die Erkrankung je nach Form und Schweregrad mit schweren Einschränkungen im Alltag und einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen. Hinzukommend leiden die Betroffenen häufig unter der Unkenntnis und der Stigmatisierung ihrer Symptome durch die Gesellschaft.

Insbesondere beim Schreibkrampf müssen sich die Betroffenen häufig gegen die irrtümliche Annahme des Analphabetismus behaupten. Der psychische Leidensdruck erhöht den Stress unter den Betroffenen und führt zu noch größeren Beeinträchtigungen des Schreibvermögens und des Selbstbewusstseins.

Wie Sie den Alltag mit Dystonie meistern.

Ein Stigma (griechisch für „Wundmal“) ist ein hervorstechendes Merkmal, das eine Person augenscheinlich von anderen unterscheidet – und aufgrund dessen nicht gerechtfertigte Rückschlüsse auf deren Gesamtcharakter gezogen werden.

Als Stigmatisierung wird ein Prozess in der Gesellschaft bezeichnet, bei dem Personen aufgrund eines (in der Regel negativ behafteten) Merkmals ein bestimmter Status zugeschrieben wird. Stigmatisierung gipfelt nicht selten in sozialer Diskriminierung.

Ursachen

Es ist u. a. der Verdienst der Londoner Arbeitsgruppe um Prof. C. D. Marsden in den 70er- und Anfang der 80er-Jahre, dass die Tätigkeitsdystonien wie auch die übrigen fokalen Dystonien als organische, neurologische Erkrankungen mit gestörter Funktion der Motorik erkannt wurden.

Die genaue Ursache bleibt jedoch noch ungeklärt (idiopathische Dystonie). Möglicherweise ist die Zusammenarbeit zwischen der motorischen Hirnrinde und den Basalganglien im Gehirn, in denen automatische Bewegungsprogramme abgespeichert sind, gestört. Vererbte Anlagefaktoren spielen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Rolle. Es wird angenommen, dass es sich um eine Anlage handelt, die nur bei einem Teil der Menschen die Störung wirklich hervorruft. Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte äußere Bedingungen dazukommen, wie eine bestimmte Tätigkeit. Noch ist eine genaue Lokalisierung dieser vermuteten Anlage im Erbgut nicht bekannt.

Die fixierten Extremitätendystonien können entweder als symptomatische Dystonien mit bekannter Ursache (z. B. eine Verletzung im Gehirn oder eine neurologische Grunderkrankung) vorliegen oder als primäre idiopathische Dystonien mit ungeklärter Ursache auftreten. Im zweiten Fall handelt es sich meist um Teilsymptome einer generalisierten Dystonie.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt durch eine neurologische Untersuchung durch den Facharzt. Für eine korrekte Diagnose gibt es jedoch folgendes zu beachten:

Es gibt Krankheiten, deren Symptome (Schmerzen und Verkrampfungen der Hand) an eine tätigkeitsbezogene Handdystonie erinnern und damit verwechselt werden können. Beispiele sind der sogenannte Tennisellenbogen (Epicondylitis) und das Karpaltunnelsyndrom. Aus diesem Grund sollten mögliche Anzeichen auf eine Handdystonie von einem Neurologen abgeklärt werden.

Therapie

Nach der Diagnose einer Extremitätendystonie wird ein individueller Behandlungsplan ausgearbeitet. Die Ziele der Therapie sind:

  • Funktionelle Verbesserung der betroffenen Extremität(en)
  • Schmerzreduktion
  • Reduktion von Stigmata

Bei einer tätigkeitsbezogenen Handdystonie (z. B. Schreibkrampf oder Musikerkrampf) stehen ergotherapeutische Ansätze zunächst im Vordergrund. Ein sehr einfaches Hilfsmittel beim Schreibkrampf kann beispielsweise eine Verdickung des Schreibgerätes sein, wodurch eine veränderte Handhaltung erzielt wird.

Ferner kann die Injektion des muskelentspannenden Wirkstoffs Botulinumtoxin eine Linderung der Beschwerden herbeiführen. Die therapeutische Herausforderung besteht darin, die muskulären Verkrampfungen einerseits zu lösen, andererseits die normale Funktionalität der Handmuskulatur möglichst wenig zu beeinträchtigten. Aufgrund der Vielzahl an Muskeln, die an den feinen Bewegungsabläufen der Hand beteiligt sind, kann dieses Behandlungsergebnis nicht immer langfristig erreicht werden.

Bessere Erfolge erzielt die Botulinumtoxin-Therapie bei fixierten Extremitätendystonien. Allerdings ist auch hier die generelle Schwächung der Handmuskulatur und damit verbundene Beeinträchtigung ihrer Feinmotorik als mögliche Nebenwirkung in Kauf zu nehmen.

Beim Umgang mit Stigmatisierung, als Folge der Erkrankung, können Selbsthilfegruppen einen entscheidenden Beitrag leisten. Eine Übersicht finden Sie in unserem Servicebereich.

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