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Laryngeale Dystonie

Fachbegriff: Laryngeale Dystonie

Andere Bezeichnungen: Spasmodische Dysphonie, „Stimmstottern“, Stimmbandkrampf

Betroffene Muskeln: Kehlkopfmuskulatur

Merkmale: Laryngeal bedeutet in der medizinischen Fachsprache „den Kehlkopf (Larynx) betreffend“. Es handelt sich um eine Dystonie der inneren Kehlkopfmuskulatur, die zu quälenden Sprachstörungen führt.

Form der Dystonie: Fokale Dystonie

Symptome der laryngealen Dystonie

Bei der laryngealen Dystonie handelt es sich um eine Erscheinungsform von Dystonie. Die Sprache der Betroffenen ist gekennzeichnet durch:

  • Stimmabbrüche
  • Gepresste Laute bei angespannter Muskulatur von Kehlkopf, Hals, Gesicht und Atemmuskulatur oder
  • eine gehauchte Flüsterstimme

Zusätzlich können die Mitbewegungen von Gesicht und Hals zu Verzerrungen und Entstellungen der Gesichtszüge führen und die Kopfhaltung beim Sprechen beeinflussen.

Erscheinungsformen

Bei der laryngealen Dystonie unterscheidet man zwei Typen:

  • Adduktor-Typ: Die Stimme klingt gepresst und die Betroffenen versuchen, während der Einatmung zu sprechen. Es kann zu Stimmabbrüchen kommen.
  • Abduktor-Typ: Die Betroffenen sprechen mit einer gehauchten Flüsterstimme, die mit viel Luftverbrauch einhergeht.

Die Benennung der beiden Unterformen bezieht sich auf die jeweils betroffene Muskelgruppe des Kehlkopfs:

  • Adduktoren: „Heranziehende Muskeln“, die das Schließen der Stimmlippen zur Stimmgebung bewirken.
  • Abduktoren: „Wegführende Muskeln“, die das Öffnen der Stimmlippen zur Atmung herbeiführen.

Die Adduktor-Form der laryngealen Dystonie tritt wesentlich häufiger auf als die Abduktor-Form.

Stellung zur Stimmbildung (Adduktor-Typ)

Für die Stimmbildung werden die Stimmbänder angespannt und annähernd geschlossen. Die ausströmende Luft versetzt sie in Schwingung und es entstehen Schallwellen.

Beim Adduktor-Typ verkrampft die Muskulatur bei geschlossenen Stimmlippen, also in der Stellung, in der es zur Stimmbildung kommt. Die Stimmgebung der Betroffenen ist angespannt-ächzend, ihre Stimme klingt gepresst und mühevoll. Stärkere Verkrampfungen äußern sich durch Stimmabbrüche. Entsprechend bereitet das Sprechen den Betroffenen große Schwierigkeiten. In schwersten Fällen kann es sogar zum Stimmversagen kommen.

Atemwegsstellung (Abduktor-Typ)

Atmungsstellung

Beim Abduktor-Typ treten die Verkrampfungen der Muskeln bei geöffneten Stimmbändern auf, also in der Stellung, in der zur Atmung, Luft in die Luftröhre gelangt. Die Betroffenen sprechen mit einer gehauchten Flüsterstimme.

Eine Besonderheit bei beiden Formen der laryngealen Dystonie ist, dass die Stimme beim Lachen und Weinen völlig normal sein kann. Beim Singen und beim Zitieren von Versen ist die Stimme meist deutlich besser, dagegen kann es bei Stress und insbesondere auch beim Telefonieren zu einer Verstärkung der Symptome kommen.

Folgen für die Lebensqualität und Begleiterscheinungen

Je nach Schweregrad der Erkrankung führt die laryngeale Dystonie zu leichten Einschränkungen beim Sprechen, die sich in einem vorübergehenden „Steckenbleiben“ der Stimme und Unterbrechungen im Redefluss äußern, bis hin zum vollständigen Stimmverlust. Eine sprachliche Kommunikation gestaltet sich für die Betroffenen als schwierig und in schweren Fällen als unmöglich. Die Folgen sind nicht selten ein sozialer Rückzug, der aus der eingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben resultiert, und die Berufsunfähigkeit.

Ursachen

Die Ursachen der laryngealen Dystonie sind nach wie vor ungeklärt (idiopathische Dystonie). Auch wenn das Wissen in den letzten 10 Jahren stark zugenommen hat, gibt es bisher keine eindeutige Erklärung.

Lange Zeit wurde das Erkrankungsbild für eine psychisch bedingte Stimmstörung gehalten: als neurotische Manifestation eines tief verwurzelten emotionalen Konflikts. Neuere Forschungsergebnisse sprechen jedoch dafür, dass bei vielen Betroffenen eine organische, im zentralen Nervensystem begründete Ursache der Bewegungsstörung der Kehlkopfmuskulatur zugrunde liegt. Ein eventuell vorausgegangenes emotionales Trauma wird weiterhin als denkbarer auslösender, jedoch nicht mehr als ursächlicher Faktor interpretiert. Bei einem kleinen Kreis von Betroffenen gibt es erste Hinweise auf eine genetische – und somit auch vererbbare Ursache (ein Gendefekt auf Chromosom 9). In diesen Fällen kommt es zu einer auffälligen familiären Häufung von Erkrankungsfällen.

In seltenen Fällen gibt es auch eine erworbene sekundäre laryngeale Dystonie, z. B. nach Schädelhirnverletzungen, Tumoren, Kohlenmonoxid-Vergiftungen oder nach längerer Einnahme von bestimmten Medikamenten (insbesondere Neuroleptika). Bei der sekundären laryngealen Dystonie konnte in vielen Fällen eine Schädigung im Gehirn (im Gebiet der Stammganglien) festgestellt werden.

Diagnose

Der Stimmklang der Betroffenen ist so charakteristisch, dass der Phoniater (der Facharzt für medizinische Stimmstörungen) die Verdachtsdiagnose meist bereits nach einem Gespräch mit dem Betroffenen stellen kann.

Wenn die charakteristischen Sprachstörungen von anderen neurologischen Symptomen wie z. B. Reflexschwäche, Krampfanfällen oder Lähmungen begleitet werden, ist dies ein Zeichen dafür, dass eine andere neurologische Grunderkrankung als die idiopathische laryngeale Dystonie vorliegt. In diesem Falle spricht man von sekundärer oder symptomatischer laryngealer Dystonie.

Die laryngeale Dystonie (oder auch spasmodische Dysphonie) ist eine seltene Erkrankung und nur in Ausnahmefällen kennt der Hausarzt oder Internist dieses Krankheitsbild; selbst HNO-Ärzten ist die Krankheit nicht unbedingt geläufig. Sollten Sie die Symptome einer laryngealen Dystonie bei sich bemerken, lassen Sie die Erkrankung von einem Facharzt (Phoniater oder Neurologe) abklären.

Therapiemöglichkeiten

Das Behandlungsziel bei einer laryngealen Dystonie ist die Wiederherstellung des Sprechvermögens. Die Therapie der Wahl hierfür ist die Injektion des muskelentspannenden Wirkstoffs Botulinumtoxin. Der behandelnde Arzt kann das Medikament entweder durch die Halshaut (transkutan: „durch die Haut“) oder durch den Mund (transoral) injizieren. Unmittelbar nach der Injektion kann es in geringem Umfang zum Eindringen von Flüssigkeit in die Atemwege (Verschlucken), einem Engegefühl im Kehlkopf sowie Stimmschwäche kommen. Diese Nebenwirkungen sind vorübergehend.

Die Überaktivität der behandelten Kehlkopfmuskeln lässt durch die Wirkung von Botulinumtoxin nach. Da die Wirkung jedoch mit der Zeit nachlässt, muss die Injektion in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Lesen Sie mehr über die Behandlung mit Botulinumtoxin.

Einen alternativen Behandlungsansatz stellt die logopädische Stimmtherapie in Kombination mit psychosomatischer Unterstützung dar. Bei Betroffenen mit ausgeprägter Symptomatik bietet dieser Ansatz allerdings nur geringe Aussichten auf Erfolg. In besonders schweren Fällen kommt auch eine Operation zur Linderung der Beschwerden infrage, z. B. die einseitige Durchtrennung des Nervus recurrens, der den Stimmenlippenmuskel versorgt.

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