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Oromandibuläre Dystonie

Fachbegriff: Oromandibuläre Dystonie

Betroffene Muskeln: Unterkiefer-, Mund- und Zungenmuskulatur (Muskeln der unteren Gesichtshälfte)

Merkmale: Oromandibulär bedeutet „den Mund (oris) und Unterkiefer (Mandibula) betreffend“. Die Dystonie führt zu unwillkürlichen Zungen- und Kaubewegungen.

Form der Dystonie: Fokale Dystonie

Symptome der oromandibulären Dystonie

Bei der oromandibulären Dystonie (OMD) kommt es zu unkontrollierten Verkrampfungen der Kiefer-, Mund- und Zungenmuskulatur.

Das führt zu:

  • Grimassieren durch Verkrampfungen der mimischen Gesichtsmuskeln
  • Unwillkürlichen Zungenbewegungen, die die Nahrungsaufnahme und das Sprechen beeinträchtigen
  • Unkontrollierten Kiefer- und Kaubewegungen

Bei oromandibulärer Dystonie sind drei verschiedene Muskelgruppen von den Verkrampfungen betroffen. Als Erstes sind die mimischen Muskeln zu nennen, d. h. die Muskeln, die für den Gesichtsausdruck sorgen. Es kommt zu unwillkürlichen Anspannungen der mimischen Muskeln im Mund- und Halsbereich, was den Gesichtsausdruck grimassenhaft verzerrt.

Die zweite Gruppe sind die Unterkiefer- oder Kaumuskeln. Diese sind für das kräftige Zubeißen und die mahlende Kaubewegung zuständig. Bei der OMD unterscheidet man zwei verschiedene Typen, je nachdem, ob die Verkrampfungen mit dem Öffnen oder Schließen des Kiefers auftreten.

Die dritte Muskelgruppe bildet die Zungen- und Schlundmuskulatur. Bei der oromandibulären Dystonie kann sich die Zunge permanent in alle Richtungen bewegen. Bei besonders starken Ausprägungen können Sprechen und Schlucken für die Betroffenen gänzlich unmöglich werden. Abnorme Bewegungen des Schlundes machen sich z. B. als „Kloßgefühl“ oder durch häufiges Verschlucken bemerkbar.

Die Symptome der oromandibulären Dystonie nehmen unter Stress und emotionaler Anspannung zu. Bei Ruhe und Entspannung nehmen sie dagegen ab und im Schlaf verschwinden sie ganz. Aktive Bewegungen der betroffenen Muskulatur, z. B. beim Sprechen, verstärken die Symptome der OMD.

Folgen für die Lebensqualität und Begleiterscheinungen

Infolge der unkontrollierten Bewegungen von Zungen- und Kaumuskulatur kann es zu verschiedenen Begleiterscheinungen kommen:

  • Bissverletzungen
  • Zahnabrieb und Zahnbrüchen
  • Kieferverrenkungen
  • Schmerzen in Muskeln und Kiefergelenken

Zusätzlich sind die Betroffenen durch die Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und beim Sprechen in ihrem Alltag sowie in sozialer Hinsicht beeinträchtigt. Häufig leiden sie unter dem Unverständnis und der Stigmatisierung ihrer Symptome durch ihr unwissendes Umfeld.

Wie Sie den Alltag mit Dystonie meistern.

Ein Stigma (griechisch für „Wundmal“) ist ein hervorstechendes Merkmal, das eine Person augenscheinlich von anderen unterscheidet – und aufgrund dessen nicht gerechtfertigte Rückschlüsse auf deren Gesamtcharakter gezogen werden.

Als Stigmatisierung wird ein Prozess in der Gesellschaft bezeichnet, bei dem Personen aufgrund eines (in der Regel negativ behafteten) Merkmals ein bestimmter Status zugeschrieben wird. Stigmatisierung gipfelt nicht selten in sozialer Diskriminierung.

Ursache von OMD

Die genaue Ursache der oromandibulären Dystonie ist noch ungeklärt (idiopathische Dystonie). Hinweise auf eine organisch bedingte Fehlfunktion der Bewegungskontrolle im Gehirn sind allerdings vorhanden.

Psychische Faktoren (wie z. B. Stress) beeinflussen zwar das Auftreten und den Schweregrad der dystonen Bewegungen, sind aber nicht als deren Ursache anzusehen. Bei etwa 20 % der Patienten findet sich eine Ursache wie z. B. eine Schädigung der Bewegungszentren durch frühere Kopfverletzungen, Schlaganfall oder die Einnahme von Neuroleptika (sekundäre Dystonie). Etwa 70 % aller Patienten mit oromandibulärer Dystonie sind Frauen. Das Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung liegt bei 44 Jahren. Die Symptomatik kann sich über Jahre hinweg kontinuierlich verstärken.

Diagnose und Therapie

Wie bei anderen Dystonien beruht die Diagnosestellung auf einer gründlichen klinischen Untersuchung durch den Facharzt, in der Regel einen Neurologen. Die Diagnose von OMD kann sich als schwierig erweisen. Das liegt daran, dass andere Bewegungsstörungen den Symptomen der oromandibulären Dystonie ähneln und mit dieser verwechselt werden können. Häufig wird z. B. aufgrund der angespannten Kaumuskeln zunächst an einen Bruxismus (nächtliches Zähneknirschen) oder eine Kiefergelenksüberlastung gedacht. Im höheren Alter und bei Zahnlosigkeit treten manchmal auch unwillkürlich Bewegungen der Mundregion auf, ohne dass es sich um eine oromandibuläre Dystonie handelt. Auch müssen Gesichts-Ticks und der einseitige Spasmus hemifacialis von einer oromandibulären Dystonie unterschieden werden.

Die Ziele der Behandlung von OMD sind:

  • Verringerung und Vorbeugung von Bissverletzungen, Schäden im Zahnbereich und Kieferverrenkungen
  • Verminderung von Schmerzen in Muskulatur und Kiefergelenken
  • Verbesserung von Nahrungsaufnahme und Sprechen
  • Kosmetische Verbesserungen
  • Reduktion von Stigmata

Oral einzunehmende Medikamente stellen eine Möglichkeit zur Behandlung oromandibulärer Dystonien dar. Da ihre Wirkung jedoch nicht auf die beteiligten Muskeln beschränkt bleibt, sind sie mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Weitere Behandlungsoptionen bilden operative Maßnahmen, logopädische und physiotherapeutische Übungen. Bei Schluckbeschwerden kann auch eine Ernährungsberatung hilfreich sein. Oftmals profitieren die Betroffenen gerade von einer Kombination der genannten Therapieverfahren.

Bei schwerstbetroffenen Patienten können Magensonden oder ein Sprechcomputer sinnvolle Hilfsmittel darstellen. Der Einsatz von Sprechcomputern ist vorwiegend dann angebracht, wenn auch eine Handdystonie vorliegt.

Therapie von OMD mit Botulinumtoxin

Eine weitere anerkannte Möglichkeit, die beabsichtigten Therapieziele zu erreichen, ist die Therapie mit Botulinumtoxin. Es handelt sich um ein muskelentspannendes Medikament, das direkt in die beteiligte Muskulatur injiziert wird. Da die Wirkung mit der Zeit nachlässt, muss die Behandlung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Durch die Therapie mit Botulinumtoxin können die Bewegungsstörungen in vielen Fällen verbessert werden. Je nach Erscheinungsbild der Erkrankung dauert es unter Umständen länger, bis die optimale Dosis und das richtige Schema für die Injektionsbehandlung gefunden sind. In solchen Fällen ist es wichtig, über die Erstbehandlung hinweg geduldig und optimistisch zu bleiben.

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