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Zervikale Dystonie

Fachbegriff: Zervikale Dystonie (auch Schiefhals oder Torticollis spasmodicus genannt)

Betroffene Muskeln: Hals- und Nackenmuskulatur

Merkmale: Zervikal bedeutet „zum Hals (Cervix) gehörig“. Je nachdem, welche Muskeln des Halses betroffen sind, bewirkt die zervikale Dystonie eine Drehung, Seitwärtsneigung, Beugung oder Streckung des Kopfes/Halses, aus der sich verschiedene Mischformen ergeben.

Form der Dystonie: Fokale Dystonie

Schiefhals oder zervikale Dystonie ist der Überbegriff für eine Gruppe an Dystonien, welche die Hals- und Nackenmuskulatur betreffen und zu unwillkürlichen Bewegungen und Fehlhaltungen im Hals-Kopf-Schulterbereich führen. Die Bewegungen können sich regelmäßig (rhythmisch) oder unregelmäßig äußern. Ebenso gibt es Betroffene, die eine stabile und dauerhafte Fehlhaltung aufweisen. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen wird neben der Fehlhaltung von Kopf und Hals außerdem ein Schulterhochstand beobachtet.

Sogenannte „sensorische Tricks“ (z. B. das Anlegen eines Fingers an die Wange oder Kinnspitze) führen bei einem Großteil der Betroffenen zu einer vorübergehenden Besserung der Beschwerden.

Erscheinungsformen der zervikalen Dystonie

Abhängig davon, welche Muskeln betroffen sind und in welche Richtung sich die Fehlhaltung des Kopfes bzw. Halses demnach ausrichtet, unterscheidet man einfache Formen der zervikalen Dystonie (auch Kombinationen sind möglich):

Umriss einer Frau mit dem seitlich gedrehtem Kopf nach unten schauend

Torticollis / Torticaput

Die häufigste Unterform der zervikalen Dystonie ist der Torticollis/Torticaput. Hierbei liegt eine vertikale Drehung des Halses und/oder des Kopfes vor.

Umriss einer Person mit seitlich geneigtem Hals

Laterocollis / Laterocaput

Der Laterocollis/Laterocaput beschreibt eine Neigung des Halses und/oder des Kopfes in Richtung einer Schulter.

Umriss einer Frau mit dem Kopf nach Hinten gestreckt

Retrocollis / Retrocaput

Der Retrocollis/Retrocaput beschreibt eine Streckbewegung des Halses und/oder des Kopfes nach hinten.

Umriss einer Frau mit dem Kopf nach Vorne geneigt

Anterocollis / Anterocaput

Der Anterocollis/Anterocaput beschreibt eine Vorwärtsbeugung des Halses und/oder des Kopfes in Richtung Brust.

Collis stammt von dem lateinischen Wort collum für Hals, caput steht für Kopf. Je nachdem, ob es sich um eine Fehlstellung des Halses oder Kopfes handelt, unterscheidet man zwischen entsprechender „Collis“ oder „Caput“-Stellung.

Folgen der zervikalen Dystonie: Lebensqualität und Begleiterscheinungen

Die Lebensqualität der von einer zervikalen Dystonie betroffenen Menschen ist zum Teil stark beeinträchtigt. Viele Alltagsaktivitäten (z.B. Autofahren) können durch die Fehlhaltung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr ausgeübt werden. Zusätzlich leiden die Betroffenen häufig unter der Unkenntnis und Stigmatisierung ihrer Symptome durch ihr Umfeld.

Neben der durch die Dystonie verursachten Bewegungsstörung leiden die Betroffenen oftmals unter Schmerzen. Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule und Nerveneinklemmungen können als Folge des Schiefhalses auftreten.

Es ist nicht überraschend, dass der Verlust an Lebensqualität bei den Betroffenen mit sozialem Rückzug und einem verminderten Selbstwertgefühl einhergeht. Nicht selten können sich hieraus auch psychische Erkrankungen wie Depression oder Angst entwickeln.

Ein Stigma (griechisch für „Wundmal“) ist ein hervorstechendes Merkmal, das eine Person augenscheinlich von anderen unterscheidet – und aufgrund dessen nicht gerechtfertigte Rückschlüsse auf deren Gesamtcharakter gezogen werden.

Als Stigmatisierung wird ein Prozess in der Gesellschaft bezeichnet, bei dem Personen aufgrund eines (in der Regel negativ behafteten) Merkmals ein bestimmter Status zugeschrieben wird. Stigmatisierung gipfelt nicht selten in sozialer Diskriminierung.

Häufigkeit der zervikalen Dystonie

In Deutschland sind etwa 20 von 100.000 Personen betroffen. Der Schiefhals äußert sich häufig erstmalig um das 40. Lebensjahr herum. Er kann sich schlagartig „über Nacht“ oder über einen Zeitraum von einigen Monaten langsam fortschreitend entwickeln. Oft sind Nackenverspannungen oder Kopfzittern Anfangssymptome, noch bevor die Fehlstellung des Kopfes im Verlauf der zervikalen Dystonie auffällt.

Ursache einer zervikalen Dystonie

Ist die Ursache für die Entstehung einer zervikalen Dystonie nicht geklärt, spricht man von einer idiopathischen Dystonie. Vermutet wird hier eine Störung im Bereich der Basalganglien, also in bestimmten Bereichen des Gehirns, die bei der Steuerung von Bewegungsabläufen eine wichtige Rolle spielen. Auch gibt es Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen.

Aus Unkenntnis wird die zervikale Dystonie fälschlicherweise immer wieder als psychische Krankheit dargestellt, obwohl es sich nachweislich um eine organische Erkrankung handelt.

Diagnose und Therapie bei zervikaler Dystonie

Den Ausschlag für die Diagnose der zervikalen Dystonie gibt das Erkennen der typischen Fehlhaltung bzw. Bewegungsmuster.

Bei einer sehr geringen Anzahl an Betroffenen (5 %) ist der Schiefhals im Gegensatz zur idiopathischen Form das sekundäre Symptom einer anderen Erkrankung. Zusätzliche neurologische Symptome wie Lähmungen, unkoordinierte Bewegungen, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen weisen auf diesen Fall hin.

Die Ziele einer Behandlung zervikaler Dystonien sind:

  • Funktionelle Besserung bei Aktivitäten des täglichen Lebens
  • Reduktion von Schmerzen und Stigma

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, z.B. oral einzunehmende Medikamente, Physiotherapie oder operative Eingriffe. Nach derzeitigem Wissensstand ist die Injektion von Botulinumtoxin bei einer zervikalen Dystonie die Therapie der Wahl. Andere Therapiemöglichkeiten kommen in der Regel nur zum Einsatz, wenn die Behandlung mit Botulinumtoxin nicht die gewünschten Ergebnisse bringt.

Ein Großteil der Patienten mit zervikaler Dystonie profitiert sehr von der Therapie mit Botulinumtoxin. Sowohl die Fehlhaltung als auch die unwillkürlichen Bewegungen und Schmerzsymptomatik können deutlich verbessert werden. Da die muskelentspannende Wirkung des Wirkstoffs nur vorübergehend ist, muss die Behandlung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Einige Erscheinungsformen der zervikalen Dystonie sprechen eventuell schlechter auf die Behandlung mit Botulinumtoxin an. Weiterhin ist es möglich, dass die Schmerzen aus einer längeren Vorschädigung der Halswirbelsäule hervorgehen und so die muskuläre Behandlung allein keine Besserung der Schmerzen verschafft.

Zervikale Dystonien sind nicht heilbar, aber bei der Mehrheit der Fälle kann die Erkrankung durch die Injektion von Botulinumtoxin erfolgreich behandelt werden.

Patientin mit Schiefhals

Behandlung einer Patientin mit Schiefhals durch Prof. Dr. Wolfgang Jost, Facharzt für Neurologie, Experte für Bewegungsstörungen und langjähriger Botulinumtoxin-Anwender.

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