Leben mit Dystonie

Leben mit Dystonie kann herausfordernd sein, doch die richtige Therapie und ein guter Umgang mit der Erkrankung können die Symptome lindern und die Lebensqualität erheblich verbessern. Viele Betroffene fragen sich, ob Dystonie die Lebenserwartung beeinflusst, was ihre Ursachen sind und welche Bedeutung sie für den Alltag hat. Die gute Nachricht: Dystonie ist behandelbar, und mit der passenden medizinischen Betreuung lassen sich Symptome lindern. Hier erfahren Sie, welche Faktoren die Lebensqualität bei Dystonie beeinflussen, welche Ursachen hinter der Erkrankung stecken und wie Sie trotz dieser neurologischen Bewegungsstörung ein erfülltes Leben führen können.

Beeinflusst Dystonie die Lebenserwartung?

Die Ursachen der Dystonie sind vielfältig und noch nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass genetische Faktoren sowie Störungen im zentralen Nervensystem eine Rolle spielen. Dabei kommt es zu Fehlsteuerungen in den Basalganglien, einem Bereich des Gehirns, der für Bewegungen verantwortlich ist. Auch sekundäre Ursachen, wie neurologische Erkrankungen oder Medikamentennebenwirkungen, können zur Entstehung beitragen. Eine detaillierte Diagnose ist entscheidend, um die bestmögliche Behandlung einzuleiten. 

Diese Seite soll Betroffenen, Angehörigen, Pflegenden und Interessierten dabei helfen, Kontakte zu Spezialisten, anderen Betroffenen und Helfern zu knüpfen, die ihnen Mut machen und sie dabei unterstützen, das Leben mit Dystonie zu meistern.

Wie kann die Ursache festgestellt werden?

Die Diagnosestellung erfolgt durch spezialisierte Neurologen anhand von Anamnese und neurologischen Untersuchungen. Bildgebende Verfahren wie MRT oder genetische Untersuchungen können helfen, die genaue Ursache zu identifizieren. Besonders wichtig ist eine frühzeitige Diagnosestellung, um gezielt gegen Symptome vorzugehen. Bei unklaren Fällen können Langzeitbeobachtungen notwendig sein. Eine enge Zusammenarbeit mit Fachärzten erhöht die Chancen auf eine passende Therapie.

Dystonie Bedeutung für den Alltag und Therapieoptionen

Dystonie kann den Alltag in vielerlei Hinsicht beeinflussen, doch es gibt vielfältige Therapiemöglichkeiten, um Symptome zu lindern. Die Behandlung umfasst, Botulinumtoxin-Injektionen und physiotherapeutische Maßnahmen. Ziel ist es, den erhöhten Muskeltonus zu reduzieren, die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu lindern.

Wie sich der Alltag mit Dystonie verändert

Die Diagnose Dystonie kann in vielen Bereichen des täglichen Lebens zu neuen Herausforderungen und teils schweren Beeinträchtigungen führen. Das hängt vor allem davon ab, welche Körperregionen von der Dystonie in welchem Schweregrad betroffen sind. Die Auswirkungen können von leichten Behinderungen bei täglichen Abläufen bis hin zu schweren Einschränkungen im Privat- und Berufsleben reichen.

Fehlhaltungen und Bewegungsstörungen im Bereich des Halses, Gesichts oder an Armen und Beinen sowie Funktionsstörungen, z.B. beim Sehen oder Sprechen, können dazu führen, dass ganz normale Tätigkeiten mühselig oder gar unmöglich werden. Das kann folgende Bereiche betreffen:

kommunikation
Kommunikation
lesen
Lesen
Schreiben
Schreiben
Essen & Kochen
Essen und Kochen
An- und Umkleiden
An- und Umkleiden
Mobilität
Mobilität
Schlafqualität
Schlafqualität
Persönliche Hygiene
Persönliche Hygiene
Körperhaltung
Körperhaltung
gleichgewichtssinn
Gleichgewichtssinn

Es ist möglich, dass Betroffene Hilfe bei Tätigkeiten benötigen, die sie bisher ganz selbstverständlich und eigenständig ausüben konnten. Dazu gehören auch sehr persönliche Aktivitäten wie beispielsweise das Zähneputzen oder An- und Ausziehen. In diesen Bereichen stehen ihnen im besten Fall ihre engsten Angehörigen zur Seite.

An zahlreichen Aktivitäten des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens können Betroffene mit Dystonie eventuell nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr teilnehmen. Dazu kann neben Freizeitaktivitäten auch gehören, dass sie ihren Beruf oder ihre Ausbildung nicht mehr wie gewohnt fortführen können.

Ein Stigma (griechisch für „Wundmal“) ist ein hervorstechendes Merkmal, das eine Person augenscheinlich von anderen unterscheidet – und aufgrund dessen nicht gerechtfertigte Rückschlüsse auf deren Gesamtcharakter gezogen werden.

Als Stigmatisierung wird ein Prozess in der Gesellschaft bezeichnet, bei dem Personen aufgrund eines (in der Regel negativ behafteten) Merkmals ein bestimmter Status zugeschrieben wird. Stigmatisierung gipfelt nicht selten in sozialer Diskriminierung.

Es ist nicht überraschend, wenn diese Einschränkungen mit einem sozialen Rückzug und einem verminderten Selbstwertgefühl und dadurch mit einer erheblich verringerten Lebensqualität einhergehen. Nicht selten können sich hieraus auch psychische Erkrankungen, wie Depression oder Angst, entwickeln.

Unterstützung im Alltag bei Dystonie

Ein strukturierter Tagesablauf, Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation und ergonomische Hilfsmittel können den Alltag bei Dystonie erleichtern. Auch einfache Hilfsmittel können effektiv sein: Bei Schreibkrämpfen kann ein dickerer Stift helfen, Verkrampfungen im Unterarm zu vermeiden. Der Austausch in Selbsthilfegruppen bietet zudem wertvolle Tipps und Unterstützung.

Regelmäßige Arztbesuche und offene Gespräche mit Therapeuten und Vertrauten sind ebenfalls wichtig, um die Therapie optimal anzupassen. Für spezielle Dystonie-Formen wie Blepharospasmus gibt es individuell angepasste Hilfsmittel wie die Ptosis-Brille. Diese verhindert durch feine Metallbügel das unwillkürliche Schließen der Lider. Da es sich hierbei um eine Spezialanfertigung handelt, sollte vor der Anschaffung eine professionelle Beratung durch Arzt, Physiotherapeut oder Optiker erfolgen, um die bestmögliche Anpassung zu gewährleisten.

Arbeit und Ausbildung mit Dystonie

Dystonie kann den beruflichen Alltag und die Ausbildung deutlich beeinflussen. Die Muskelverspannungen und Bewegungsstörungen können es schwerer machen, die bisherige Arbeit oder Ausbildung fortzuführen. Auch wenn dies herausfordernd sein kann, gibt es viele Wege, um weiterhin aktiv am Berufsleben teilzunehmen. Der richtige Mix aus medizinischer Unterstützung, gezielter Rehabilitation und persönlichem Willen kann den entscheidenden Unterschied machen.

Care-Manager sind wertvolle Begleiter auf dem Weg zurück in den Beruf oder die Ausbildung. Sie unterstützen Betroffene dabei, individuelle Lösungen zu finden – von der Arbeitsplatzanpassung bis zur emotionalen Begleitung. Sie helfen dabei, bürokratische Hürden zu überwinden, koordinieren die Kommunikation mit Arbeitgebern und Behörden und begleiten Betroffene bei Bedarf an den Arbeitsplatz. Diese ganzheitliche Unterstützung kann den beruflichen Wiedereinstieg erheblich erleichtern.

Berufliche Neuorientierung und Perspektiven

Manchmal kann eine berufliche Neuorientierung sinnvoll sein, wenn die bisherigen Tätigkeiten körperlich zu belastend werden. Care-Manager können auch hier unterstützen – zum Beispiel bei der Suche nach geeigneten Weiterbildungen, Umschulungen oder Arbeitsplätzen, die besser zu den individuellen Fähigkeiten passen. Spezialisierte Jobbörsen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen bieten zusätzliche Chancen, einen passenden Arbeitsplatz zu finden.

Finanzielle und rechtliche Unterstützung

Kostenerstattung: Viele Krankenkassen übernehmen Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie oder medikamentöse Behandlungen. Ein frühzeitiger Austausch mit der Krankenkasse kann helfen, die richtigen Leistungen zu finden.

Rente: Bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit kann eine Rente eine wichtige finanzielle Absicherung bieten – je nach Grad der Arbeitsunfähigkeit als Zeit- oder lebenslange Unterstützung.

Schwerbehindertenausweis: Ein Schwerbehindertenausweis kann nicht nur finanzielle Vorteile bringen, sondern auch rechtlichen Schutz und Erleichterungen im Alltag.

Zum Recht auf Erwerb eines Schwerbehindertenausweises oder einer Rente ist es notwendig, sich im individuellen Fall zu informieren und offene Fragen zu klären. Ihre Angehörigen oder ein Care-Manager können hierbei behilflich sein.

Erfahrungen und Mutmach-Geschichten

Viele Menschen mit Dystonie finden trotz ihrer Erkrankung Wege, beruflich aktiv und persönlich erfüllt zu bleiben. Ihre Erfahrungen zeigen, dass es immer Möglichkeiten gibt, sich neu zu orientieren und eigene Stärken zu nutzen.

„Lebe dein Leben – du hast nur eines!“

Ich bin Mats, 57 Jahre alt, und lebe seit 1993 mit zervikaler Dystonie. Ich stand mitten im Leben, als ich mit 35 Jahren die Diagnose bekam. Es war ein Jahr, nachdem ich zum dritten Mal Vater wurde. Die Diagnose war eine große Überraschung für mich, meine Familie und meine Freunde. Nichtsdestotrotz, das Leben könnte schlimmer sein als mit Dystonie. Jeder Mensch hat eine Hürde, die sein Leben schwer macht. Ich versuche das Beste aus meinem Leben zu machen und habe noch viele verschiedene Ziele. Mein nächstes Ziel ist es, einen Marathon zu laufen. Versuche jeden Tag glücklich zu sein! Lebe dein Leben – du hast nur eines!

„Mein Hausarzt konnte nicht feststellen, woran ich leide.“

Ich bin Lynne, 48 Jahre alt und lebe seit 2010 mit Blepharospasmus. Mein Hausarzt konnte nicht feststellen, woran ich leide. Nach über zwei Jahren Recherche stellte ich selbst fest, dass mein Leiden einen Namen hat: Blepharospasmus. Mein Ziel war es, meine Augen offen zu halten und wieder Auto zu fahren. Dieses Ziel habe ich dank der Behandlung mit Botulinumtoxin erreicht. Diese wieder gewonnene Unabhängigkeit möchte ich auch in Zukunft beibehalten.

„Heute sehe ich die Krankheit als meinen Freund an.“

Ich bin Susanne, 53 Jahre alt, und leide seit einem Unfall im Jahr 2012 an Dystonie. Ich hatte zuvor noch nie von der Krankheit gehört. Die Symptome erzeugten anfänglich eine Panik in mir und ich dachte, ich wäre psychisch krank. Die Krankheit hat mich sehr verändert. Ich war beruflich erfolgreich und musste nach der Diagnose feststellen, dass ich vieles nicht mehr machen kann. Ich suchte mir einen Job mit weniger Belastung. Durch meine neue Arbeit stellte ich fest, dass die Krankheit gar nicht so schlimm ist und es Menschen mit viel größeren Problemen gibt. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, um mit Dystonie zurechtzukommen. Obwohl es manchmal schwierig ist, sollte man immer das Glück im Leben suchen. Heute sehe ich die Krankheit als meinen Freund an.